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19.11. – 10.12.2023 Brigitte Felician Siebecht | Torhaus Rombergpark Dortmund

Einladung Ausstellung Siebrecht "Where is my code?" Torhaus 2023

Where is my Code?
Brigitte Felician Siebrecht
19.11. – 10.12.2023

 

Städtische Galerie Dortmund
Torhaus, Rombergpark
Am Rombergpark 65
44225 Dortmund

Öffnungszeiten:
dienstags – samstags
14.00 –18.00 Uhr
sonn- und feiertags
10.00 –18.00 Uhr
Eintritt frei

Herzliche Einladung zur Vernissage
Sonntag 19.11.2023 | 11 Uhr
Einführung
Simone Rikeit, Kunsthistorikerin

 

Auf den Spuren der Doppelbödigkeit der Erscheinungen werden Oberflächen zu Orten der Durchsicht. Dabei
eröffnet sich vielleicht ein „Dahinter“ oder das „Innewohnende“.
Das Verborgene kann in bedeutsamer Verbindung zum Sichtbaren stehen oder es hervorbringen – vielleicht
finden wir also eine Art Code oder stellen fest, dass das Sichtbare codiert ist?

Eine Zusammenarbeit zwischen Westfälischen Künstlerbund Dortmund e.V. und Kulturbüro Dortmund.

AUSSTELLUNGSTEXT

Neben der intensiven Beschäftigung mit der Medienkunst, hat Siebrecht die Malerei nicht aus den Augen verloren und zeigt in der Ausstellung „Where is my Code?“ in der Städtischen Galerie Torhaus Dortmund auch einige ihrer aktuellen malerischen Arbeiten. Auch in der Malerei nutzt Siebrecht gern den Aspekt des Zufälligen, der jedoch innerhalb des malerischen Prozesses immer wieder in eine bewusste Form verwandelt wird.

 

Seit ihres Malstudiums ist sie begeistert von den Ideen der Absoluten Malerei, des Informell und des Expressionismus. Sie beschreibt die Leinwand für sich als einen multi-perspektivischen und dennoch flächigen Bildraum, der eigenen Gesetzen folgt, die mittels der Malerei entdeckt werden können.

 

Mich treibt der Wunsch an, diesen Bildraum so eindeutig und stimmig zu gestalten, dass er sich für den Betrachter ebenso selbstverständlich erschließt, wie beispielsweise der Anblick eines Stuhls oder eines Tisches.“

 

Ein besonderes Experiment ist beispielsweise die Serie „Muss ich ein Segelboot sehen, um ein Segelboot zu sehen ?“ Dieses spielt mit der Idee der Abstraktion, die doch zumeist an dem Wunsch scheitert, etwas Bekanntes erkennen zu wollen. Die Serie, die auch mit Elementen der Augmented Reality arbeitet läd dazu ein, sich mit der eigenen Wahrnehmung zu beschäftigen und sich spielerisch auf die Idee des Absoluten in der Malerei einzulassen.

 

Die Malerei ist für Siebrecht der Ausgangspunkt aller künstlerischer Ansätze, da sich hier der Wunsch nach einer Verwandlung, einer Transzendenz der eigenen Erfahrung in die Tat umsetzt.

Den Prozess der Bildentstehung beschreibt sie als eine Art Pendelbewegung zwischen freier Intuition und Reflektion – zwischen unwillkürlicher Gestaltungsabsicht und Wahrnehmung.

 

Im malerischen Prozess löse ich mich auf diese Weise spielerisch von einer spontan sich aufdrängenden Bewertung: gut oder schlecht?

Ich stelle die Bewertungen zur Seite, zugunsten der Frage nach der Funktion innerhalb des Gesamten. Die eigentliche Bedeutung wird erst erkennbar im Zurücktreten, während das Detail nur in der gefühlten, nicht reflektierten physischen Einheit stimmig gestaltet werden kann.

Eine qualitative Modulation entsteht an den jeweiligen Übergängen: zwischen Nähe und Ferne, Funktion und Bedeutung, Ruhe und Bewegung, Einzelnem und Gesamtheit, Struktur und Bedeutsamkeit, Hell und Dunkel, Hingabe und Reflexion usw. Die Malerei bewegt sich also optimalerweise in einer Art Pendel Bewegung.“

 

Seit 2020 beschäftigt sich Siebrecht mit Augmented Reality. In ihren aktuellen Arbeiten der Serie „Delphi 2.3“ stattet sie einige Arbeiten mit zusätzlichen Ebenen aus, die zumeist aus Animationen und Soundcollagen bestehen. Diese erstellt sie ebenso intuitiv, wie das eigentliche Motiv. Sichtbar werden diese zusätzlichen Ebenen z.B. mittels eines Smartphones.

Siebrecht ist zum einen begeistert von der Magie der virtuellen Realität und möchte zum anderen mit ihren Arbeiten auf die Notwendigkeit eines sehr aufmerksamen und kritischen Umgangs mit den explosionsartig entstehenden neuen Möglichen hinweisen.

 

Der Titel „Where is my Code?“ fasst grundlegende künstlerische Fragen ihres künstlerischen Ansatzes zusammen. Die Auseinandersetzung mit dem Digitalen verläuft analog zu der Erkenntnis, dass Dinge und Erscheinungen durch unsichtbare Ebenen gesteuert oder beeinflusst werden. „Das Eigentliche ist unsichtbar.“
Dies ist letztlich keine neue Erkenntnis.

Diese Frage versucht Siebrecht mit ihren Arbeiten auch immer wieder philosophisch ins Bild zu setzen. So zB mit der Frage nach der Zufälligkeit unseres genetischen Codes, mit der Aufdeckung unsichtbarer Codierungen in digitalen Datenströmen oder auch in der Frage nach der Intuitionsfähigkeit eines Computers.

 

Die Ausstellung „Where is m Code?“ wird von einem verbindenden Element getragen, das sich durch sämtliche Arbeiten Siebrechts zieht, dass die Erscheinung der Dinge nur die eine Seite abbildet.

Mit der zunehmenden Digitalisierung sind wir herausgefordert eine differenziertere Wahrnehmung zu entwickeln, die zugleich auch immer nach dem Hintergrund und der Entstehung des unmittelbar Sichtbaren fragt.

 

Gezeigt werden 13 Arbeiten.

Neben malerischer Mischtechnik – zumeist Acryl, Pigment, Kohle Kreide, Graphit – arbeitet Siebrecht auch mit Fotografie und digitaler Verfremdung, sowie Digitalem Druck, den sie selber herstellt und vorher und nachher überarbeitet.

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Simone Rikeit (Kunsthistorikerin) über die Aktuellen Arbeiten von Brigitte Felician Siebrecht

Brigitte Felician Siebrecht „codes und tapes“

(Rede anlässlich der Ausstellungseröffnung im Kunstbetrieb am 06.05.2017)

Anlässlich der Einzelausstellung „codes und tapes“ im Kunstberieb Dortmund 2017 entstand folgender Review der Kunsthistorikerin Simone Rikeit zu Brigitte Felician Siebrechts Arbeiten:

Unter dem Titel „codes und tapes“ zeigt Brigitte Felician Siebrecht hier im Kunstbetrieb bis zum 2. Juni Arbeiten verschiedener Techniken aus den letzten Jahren.

Die in Frankfurt geborene Malerin und Mediendesignerin verbindet in dieser Ausstellung einen Teil ihrer verschiedenen Ausbildungen und Professionen: so unter anderem ein Studium der „Freien Malerei“ und eine Ausbildung zur Mediendesignerin.

Mit dem 2013 entstandenen querformatigen und interaktiv angelegten Druck „we’re readable“ spielt Siebrecht auf diverse gesellschaftliche und politische Aspekte an, die nach wie vor sehr aktuell sind.

we're readble / Wandbild 2013 Brigitte Felician Siebrecht
we’re readble / Wandbild 2013 Brigitte Felician Siebrecht

Zu sehen sind verschiedene Personengruppen, Demonstranten, ein Mann mit Gasmaske, ein Panzer vor einer zunächst als Ornament wahrnehmbaren Wand. Eine weibliche Figur hält uns mit aufgerissenem Mund die Forderung „We want democracy“ vor Augen. Auf einem aufgeklebten Zettel steht: „Wieviel von dem, was wir sehen, dürfen wir noch glauben?

Es sind Bilder, wie wir sie aus dem Arabischen Frühling oder dem Ukraine-Konflikt kennen, Bilder, die aber ebenso übertragbar sind auf die Ereignisse in der Türkei im letzten Jahr und den vergangenen Wochen.

Bei weiterem Hinsehen wird sichtbar, dass es sich bei den Ornamenten um QR-Codes handelt. Es sind von Siebrecht selbst generierte Codes, sogenannte DataMatrix Codes , hinter denen sich Textfragmente aus Wikileaks, vom Chaos Computer Club oder aus Polizeilichen Personenprofilen verbergen. Der Betrachter hat die Möglichkeit, mit dem Smartphone und einem Code-Reader die Zeichen abermals zu entschlüsseln und wird auf Sätze stoßen wie: „Internet-Nutzer werden umfassend überwacht“.

We’re readable“ wirft Fragen auf.

Es sind Fragen wie zum Beispiel:

Welche Daten-Spuren hinterlassen wir?

Welche Auswirkungen hat digitaleTransparenz auf uns und die Gesellschaft?

Welchen Bildern, Nachrichten und Informationen können wir glauben?

Wie funktioniert Demokratie, Selbstbestimmung, Freiheit in Zeiten massenhafter Datenspeicherung und Überwachung?

Berührt diese Arbeit gesellschaftliche bis hin zu politischen Themen, beschäftigt sich „where is my code?“ auf der gegenüberliegenden Wand eher mit dem Individuum.

Ausgehend von einem Portraitfoto, dies kann ein im Internet gefundenes oder selbstgemachtes Foto sein, verwendet Siebrecht neben dem eigentlichen Bild die Codierung der Bilddatei und legt sie über oder unter die gestalterisch reduzierten und von schwarzen Flächen begleiteten Gesichtsformen.

Es sind Zahlen, Buchstaben und Zeichen. Sie zu verstehen und zu entschlüsseln, gelingt nicht.

Die Künstlerin reproduziert, zerlegt und seziert hier im übertragenen Sinne den Menschen und seine „Codes“ auf unterschiedlichen Ebenen und läßt, wie sie selbst sagt, eine „rekursive Schleife“ entstehen. Bei uns mögen Fragen nach den genetischen oder psychologischen Codes, nach den Innen- und Außenbildern und -wirkungen entstehen.

Untersucht Brigitte Felician Siebrecht hier die gestalterische Qualität von Codes, von Zahlen und Konzeptuellem, Rationalem, maschinell oder mathematisch produzierten Inhalten, stehen bei dem Malereien im vorderen Bereich des Ausstellungsraumes ganz andere Dinge im Vordergrund.

Hier ist es der Körper, die Geste und das Gefühl.

Den Bildern liegt in den meisten Fällen, wie auch bei dem Gemälde „Wimpernschlag“ aus dem letzten Jahr, graues Tapeband zugrunde, mit dem Siebrecht der locker gespannten Leinwandfläche habhaft wird.

Mit dem Tape gibt sie eine Struktur auf der Leinwand vor, eine Art Stütze.

Diese wird mit Farbspritzern, gespachtelter und gemalter Farbe überarbeitet, so dass oft eine reliefartige Struktur entsteht.

Dass sie die Leinwand nicht nur als reinen Funktionsträger sondern als gestalterischen Teil des Bildes begreift, wird durch die lockere Aufspannung deutlich.

Auch die Malerin selbst steht nicht ruhig an einer Leinwand. Das ein oder andere Mal liegt die Stofffläche auf dem Boden und wird von allen Seiten bearbeitet.

Diese Arbeitsweise erinnert an diejenige des amerikanischen Künstlers Jackson Pollock, der ebenfalls durch Herumschreiten und -laufen seine Körperbewegungen in das Bild mit eintrug und die zu gestaltende Fläche allseitig bearbeitete.

Siebrecht tut dies ebenso durch weit ausladende, gestische Armbewegungen, wie sie beispielsweise der deutsche Informelkünstler Karl Otto Götz ab der Nachkriegszeit mittels seiner Rakeltechnik umsetzte.

Aus den verschiedenen gestischen und abstrakten Gemälden mit freien Formen und Farben sticht eines heraus: Es ist ein Bild, das einen abstrahierten Kopf zeigt. Es bildet die formal-thematische Klammer zum hinteren Teil des Ausstellungsraumes und ist gleichzeitig der Hinweis auf eines der Hauptthemen von Brigitte Felician Siebrecht in ihrer Kunst: das Portrait, auch wenn es hier in der Ausstellung seltener vertreten ist.

Ging es bei den Arbeiten im hinteren Teil des Raumes um die künstlerische Qualität von Codes, Zahlen und Zeichen, um das konzeptuelle Arbeiten, geht es hier bei den Malereien um das Gefühl, die Intuition, das mitunter Ungeplante und das Körperliche.

Doch auch hier ist der Betrachter, sind wir eingeladen, aktiv die Bilder zu betrachten. Details aus der Nähe zu sehen und wieder Abstand zu nehmen, um das Ganze zu erfassen.

Brigitte Felician Siebrecht zeigt mit ihrer Ausstellung hier im Kunstbetrieb ihre äußerst mehrschichtige, künstlerische Arbeitsweise.

Im eher wortwörtlichen Sinne mehrschichtig, weil sie abfotografiert, Dateicodes freilegt oder QR-Codes generiert, druckt, Inhalte übereinanderlegt, überklebt, überspachtelt, überspritzt und übermalt.

Im übertragenen Sinne, weil sie mit ihrer Arbeit auf vielschichtige Art und Weise Fragen aufwirft, Denkanstöße gibt, entschlüsselt und verschlüsselt oder uns emotional, intuitiv berührt.

Sie selbst zeigt sich dabei in einer Ganzheitlichkeit, zwischen Ratio, Konzept und zeichenhafter Reduktion einerseits und materieller Fülle, emotionaler Geste und Spontanität andererseits. Pole, in denen wir Betrachter uns spiegelbildlich und rein menschlich sehr leicht wiederfinden können. Eben diese scheinbaren Gegensätze, die nur durch Zulassen zu einer Ganzheitlichkeit führen können, bringt das Gemälde „DAs TAO der Selbstauflösung – Lasse alle Widersprüche in dir zu“ zum Ausdruck.

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Malerei als existentieller Dialog, Integrale Perspektiven Juli 2017

Die von mir sehr geschätzte philosophische Zeitschrift „Integrale Perspektiven“ bat mich eine Position zu meiner künstlerischen Arbeit zu schreiben.

Ich habe dafür eine Gegenüberstellung meiner aktuellen Tape Malerei und der zeichnerischen Serie „Where is my Code?“ gewählt.

Malerei als EntTäuschung

Immer diese Enttäuschung!
Die Enttäuschung in den Gesichtern der Menschen, wenn sie vor meinen Bildern stehen, so wie vor einigen Wochen, als ich mit einem Besucher meiner Ausstellung vor dem Bild „Erfassung I“ stand:

„Ich kann gar nichts erkennen!“

„Vielleicht … wenn ich mir Mühe gebe … ah doch …. hier! Einen Baum … oder hm … nein .. ein Einkaufszentrum! Ja! Es ist ein Einkaufszentrum! Hab ich recht? Sie wollten ein Einkaufszentrum malen…?“

Ich denke an den Tag, an dem ich zum ersten mal eine FLÄCHE wahrnahm – einen multi-perspektivischen und dennoch flächigen Bildraum, anstelle einer auf 2 Dimensionen beschränkten Ober-Fläche.

Seither treibt mich der Wunsch an, diesen Bildraum so eindeutig und stimmig zu gestalten, dass er sich für den Betrachter ebenso selbstverständlich erschließt, wie beispielsweise der Anblick eines Stuhls oder eines Tisches – und ich meine tatsächlich den Anblick des Objektes Stuhl oder Tisch, nicht den Anblick des Abbildes des Objektes.

Malerei als EntTäuschung

Während meines Malerei Studiums wurde mir deutlich, dass der künstlerische Prozess zu einer Art Spiegel werden kann, womit ein Dialog zwischen äußerer Gestaltung und innerer Selbst-Gestaltung für mich begann:

Die innere Intention – die gestaltende Bewegung – Reflexion des Gestalteten – Abgleich mit der Intention und zugleich fließende Korrektur des Beabsichtigten anhand des Verwirklichten – erweiternde Verwandlung der Absicht – und wiederum Eintauchen in das Loslassen innerhalb der physischen Ergreifung – Mitfließen bis zum nächsten zurücktretenden Auftauchen – das Gestaltete anerkennen als das Abbild der aktuellen Fähigkeit zur Verwandlung der inneren Intention.

In meiner aktuellen Ausstellung „Codes und Tapes“ in der Galerie „Der Kunstbetrieb“ in Dortmund greife ich dieses Werden des Flächigen auf und stelle diese in ein Gegenüber: malerisch-gefühlt und graphisch-konzeptuell.
Beide Bereiche arbeiten mit der Verwandlung der Oberfläche zur Fläche und der Selbst-Referentialität des Bildes.

Mit Tapes (Klebebändern) – mittels derer ich zu Beginn des Prozesses die Bildfläche grundlegend gliedere, schaffe ich einen Ankerpunkt, zu welchem ich innerhalb des Prozesses immer wieder zurückkehren kann, um die Stimmigkeit zu überprüfen.
Im weiteren Verlauf arbeite ich mit der geklebten Grundstruktur – mal, indem ich sie aufbaue und vertiefe, mal indem ich sie bewusst auflöse.

 

Bild Entwicklung „Irish Lake“, Tapes und Mischtechnik

IrishLake1 - Stufe 1 - Brigite Felician Siebrecht
IrishLake1 - Stufe 2 - Brigite Felician Siebrecht
IrishLake1 - Stufe 3 - Brigite Felician Siebrecht
IrishLake1 - Stufe 4 - Brigite Felician Siebrecht

„Irish Lake“ / Tape Malerei Brigitte Felician Siebrecht

Bild: "Irish Lake" von Brigite Felician SIebrecht

„Das TAO der Selbstauflösung – akzeptiere alle Widersprüche in dir“ / Tape Malerei Brigitte Felician Siebrecht

Im malerischen Prozess löse ich mich auf diese Weise spielerisch von einer spontan sich aufdrängenden Bewertung:

gut oder schlecht?

Ich stelle die Bewertungen zur Seite, zugunsten der Frage nach der Funktion innerhalb des Gesamten.
Bedeutung wird erst erkennbar im Zurücktreten, während das Detail nur in der gefühlten, nicht reflektierten physischen Einheit stimmig gestaltet werden kann.

Eine qualitative Modulation entsteht an den jeweiligen Übergängen, in einem kontinuierlichen ineinander Schwingen der ‚Pole‘ zwischen Nähe und Ferne, Funktion und Bedeutung, Ruhe und Bewegung, Einzelnem und Gesamtheit, Struktur und Bedeutsamkeit, Hell und Dunkel, Hingabe und Reflexion usw.

Die Malerei bewegt sich also optimalerweise in einer Art Pendel Bewegung, die sich mir auch als Analogie zum Biographischen Gestalten darstellt.


Dem gegenüber stelle ich die grafische, konzeptuelle Serie „Where is my Code?“, die sich mit dem Spiel zwischen analogen und digitalen Medien beschäftigen.
Gezeigt werden Menschen in einer Haltung, als schauten sie in einen (imaginären) Spiegel.

Where is my Code / Brigitte Felician Siebrecht

where is my code -stufe 1 - brigitte felician siebrecht
where is my code -stufe 2 - brigitte felician siebrecht
where is my code -stufe 3 - brigitte felician siebrecht
where is my code -stufe 4 - brigitte felician siebrecht

1-
Ich beginne mit musterartigen, kleinteiligen Krakeleien, die das Gesamtbild zunächst in einer Art Chaos anlegen.

2-
Zusammenfassung mittels einfacher gesetzter Flächen.

3-
Bildung grafisch-linearer, übergreifender Bezüge.

4-
Im nun folgenden Schritt fotografiere ich das entstandene Bild und exzerpiere dessen digitalen Code – quasi die „DNA des Bildes“ – mithilfe des Computers.
Fragmente des digitalen Textcodes verwende ich nun wiederum als gestalterisches Element – es entsteht eine Art rekursive Schleife und ein Hin und Her zwischen Funktion und bildhafter Bedeutung.
Das Bild enthält sich selbst, während sich der Ausgangspunkt umstülpt und damit zum gestalterischen Element wird.

Auch hier deuten sich Analogien zum biographischen Erleben und der psychologischen Selbstreflexion an.

Bewusst gestaltete Aufmerksamkeit – auf die eigene Entwicklung gelenkt – wird zum Gestaltungswerkzeug für die eigene Persönlichkeit.
Der Dualismus: Unbewusst / Bewusst löst sich auf zugunsten einer transparenten und immer komplexer werdenden Charakteristik.

Dem gegenüber arbeitet der malerische Prozess über das Empfinden, über ein intuitives und physisches Erspüren der Stimmigkeit.

*

Man verliert sich quasi in der Hingabe an das Detail, um wieder zu erwachen in die ordnenden Tätigkeit der Erfassung des Gesamtzusammenhangs.

Die Malerei hilft, die Illusion über das eigene Selbst schrittweise zu demontieren und ist damit für mich eine liebevolle und kreative Art der Selbst Ent-Täuschung…
Denn jede Unzulänglichkeit ist zugleich Ausgangspunkt für eine neu ausgerichtete absichtliche Verwandlung.

Wir stehen noch eine Weile versunken in die Betrachtung des Bildes „Erfassung III“ und zum Schluss darf ich meine Visitenkarte weiterreichen …
Ich bin froh, dass ich das Einkaufszentrum bis heute nirgends erkennen kann im Bild.

Erfassung I

Bild "Erfassung 1" von Brigitte Felician Siebrecht